Die Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde in Osterfeld
von Dr. Wilhelm Schmitz
Aus: Der Kickenberg, Osterfelder Heimatblatt, Nr. 6, Juni 1956
(Anm.: Der Aufsatz wurde durch Zitate der Pfarrchronik abgedruckt im Gemeindebrief der Auferstehungs-Kirchengemeinde Osterfeld "Auf ein Wort", Juli 2000 und Bilder ergänzt.)
Im Jahre 1803 nahm im dünnbesiedelten Klosterhardt ein Mann Wohnung, dessen Name untrennbar mit der Industrialisierung unseres Gebietes verbunden ist. Er kann nicht genannt werden, ohne an die Antony-Hütte, eine der drei Stammhütten der Gutehoffnungshütte Oberhausen AG und zugleich die Wiege der Ruhrindustrie, zu erinnern.
Die Fürstäbtissin von Essen, Maria Cunegunda (1740 – 1826), seit 1793 Eigentümerin der Antony-Hütte, hatte den jungen begabten technischen Pionier hierher gerufen. Sein Name war Gottlob Jacobi (1770 – 1823). Als er sich in Klosterhardt niederließ, war er 33 Jahre alt und verheiratet. Die Familie Jacobi war die erste evangelische Familie Osterfelds.
Von hier aus beginnt die bemerkenswerte gleichlaufende Entwicklung der Industrie und – der Osterfelder evangelischen Kirchengemeinde. In dem Maße, wie die Gutehoffnungshütte wuchs, dehnte sich die Osterfelder Gemeinde der Protestanten aus. Wieder ein Zeichen mehr, wie tief die Industrie die landschaftliche und soziologische Struktur und auch die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung gewandelt hat.
Sie hatte 1880 > 81 Schüler, 1890 > 214 Schüler, 1900 > 460 Schüler und erreichte 1918 trotz Abgabe vieler Schüler an die inzwischen neugebauten Schulen (1898: Lutherschule und 1901: Klosterhardtschule) mit 807 die höchste Schülerzahl.
Anmerkung: 1906 pachtete das Amt Osterfeld von der Königlichen Eisenbahninspektion Duisburg auf der Rückseite des Schulgebäudes ein Grundstück, das zum Bahnkörper der stillgelegten Westfälischen Bahn (Alte Bahn = Richard-Wagner-Allee) gehörte, um den Schulhof – der gestiegenen Schülerzahl entsprechend – vergrößern zu können.
Für Bottrop und Osterfeld eine Kirche?
Doch zurück zu der Entwicklung der Gemeinde selbst. Hierbei muß darauf verzichtet werden, viele, manchmal sogar wesentliche Einzelheiten anzuführen. Im Jahre 1882 war die Zahl der Seelen, die zu der Kirchengemeinde Sterkrade gehörte, bereits so groß geworden, daß zum ersten Male der Plan entstand, Osterfeld mit damals 425 Seelen und Bottrop mit 248 Seelen zu einer selbständigen Pfarre zusammenzufassen und hierfür einen Pfarrvikar zu bestellen mit Sitz in Osterfeld. Es fehlte aber ein Andachtsraum oder eine Kirche, und so hatte man geplant, den Gottesdienst abwechselnd in der evangelischen Schule in Osterfeld und in der Prosperschule in Bottrop abzuhalten. Dieser Plan zerschlug sich aber; Bottrop kam unerwartet durch das Vermächtnis eines nach Amerika ausgewanderten Angehörigen dieser Gemeinde in den Besitz einer eigenen Kirche, deren Grundstein 1883 gelegt wurde.
Gottesdienst im Treppenhaus
In Osterfeld gab es für viele Jahre nur einen Behelfsgottesdienst in der Lehrerwohnung der evangelischen Schule; dieser war oft so gut besucht, daß das Treppenhaus mitbenutzt werden mußte.
Die Pfarrchronik hielt für die Nachwelt fest:
Der Raum, in welchem die Gemeinde ihre Gottesdienste feiert, besteht aus einem Schulzimmer, das nur 80 Kindern Platz bietet. An hohen Feiertagen, besonders am Karfreitag, ist er noch nicht einmal im Stande, die Zahl der Abendmahlgäste, geschweige denn alle Kirchgänger in sich aufzunehmen. Da in dem Raum die zweitunterste Klasse der Schule unterrichtet wird, sind die Bänke darin auch nur für kleine Kinder, aber nicht für Erwachsene eingerichtet. Dieser Umstand verleidet manchem das Kirchengehen ganz und gar und für manchen ist es der Grund, anstatt des hiesigen Gotteshauses die Kirche der Gemeinde Sterkrade zu besuchen. Aber dabei hat es nicht einmal sein Bewenden. Die Kirchenbesucher sind sogar der Gefahr ausgesetzt, an ihrer Gesundheit Schaden zu nehmen. So ist es denn an warmen und noch mehr an heißen Tagen geradezu Regel, daß Personen ohnmächtig werden und den Raum verlassen müssen. Der Geistliche selbst ist aber in der übelsten Lage, denn ihm ist das Predigen eine körperliche Anstrengung der schlimmsten Art und hat für ihn durch die starke Transpiration, die unausbleiblich ist, in allen Fällen mindestens eine große Abspannung zur Folge. Aus all dem geht auf das Deutlichste hervor, mit welchen Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten der hiesige Kirchenbesuch verbunden ist.
Mit der Berufung des Pfarrvikars Hemme im Jahre 1891 wurde dem immer dringlicher werdenden Bedürfnis, eine selbständige Gemeinde aufzubauen, endlich entsprochen.
Pfarrvikar Hemme kam im März des Jahres 1891 nach Osterfeld, bereits im September des gleichen Jahres sprach der Oberkirchenrat die Errichtung der Vikariatsgemeinde Osterfeld aus, die jedoch vorerst noch zur Muttergemeinde Sterkrade und damit zum Konsistorialbezirk Koblenz gehörte.
(Konsistorium = oberste Verwaltungs- und Aufsichtsbehörde der evangelischen Landeskirche)
Sorgen und Opfer um ein eigenes Gotteshaus
Bis zum Jahre 1882 war die Zahl der Seelen in Bottrop, das mit Osterfeld zur Gemeinde Sterkrade gehört, auf 248 und in Osterfeld auf 425 gestiegen. Bei den Konsistorien Münster und Koblenz wurde zu dieser Zeit zum ersten Male erwogen, Bottrop und Osterfeld aus dem Pfarrsystem Sterkrade zu lösen und zu einer selbständigen Kirchengemeinde zu erheben. Wegen der Zahl der Gläubigen und des verhältnismäßig großen Gebietes, das seelsorgerisch zu betreuen war, schien eine solche Maßnahme wohl berechtigt, doch bei dem zähen Fluß der Verhandlungen war so bald ein Ergebnis nicht zu erwarten.
Opferfreudiger Amerikaner
Von nicht geringerem Gewicht erwies sich hierbei das Vermächtnis eines nach Amerika ausgewanderten Bürgers, durch das Bottrop 1883 unerwartet zu einer eigenen, wenn auch kleinen Kirche kam. Glückliches Bottrop; die Gemeinde Osterfeld mußte, obwohl größer, noch für viele Jahre auf ein eigenes Gotteshaus warten. Denn die Dringlichkeit, das Pfarrsystem Sterkrade zu teilen, war durch die hochherzige Stiftung des Amerikaners vorerst einmal gemildert worden.
Erste Stufe erklommen
Indessen, der fortwährende Zuzug neuer Gläubiger, von der Industrie in großer Zahl hierher gerufen, forderte gebieterisch eine Änderung. Endlich, 1891, wird eine gewisse Teilselbständigkeit erreicht; Osterfeld erhielt in diesem Jahre einen eigenen Pfarrvikar namens Hemme.
Nur mit Betsaal nicht zufrieden
Der hierzu ergangene Beschluß des Oberkirchenrates enthielt den bemerkenswerten Rat an die beiden Konsistorien Münster und Koblenz, nun auf die volle Selbständigkeit hinzuwirken; gleichzeitig erhielt die evangelische Kirchengemeinde Osterfeld die Aufforderung, einen Betsaal und eine Pfarrwohnung zu bauen. Dem provisorischen Osterfelder Kirchenvorstand reichte das aber nicht. Er besaß genug Einsicht in die örtlichen Verhältnisse, um zu erkennen, daß infolge des rapiden Wachstums der Gemeinde ein Betsaal nur wenige Jahre ausreichen und nicht mehr als eine halbe Lösung sein würde. Man beschloß daher 1892 mutig und mit dem nötigen Gottvertrauen den Bau einer Kirche. Mit welchem Ernst man die Sache betrieb, ist daraus zu ersehen, daß man noch im gleichen Jahre das Grundstück, zwei Morgen groß, an der heutigen Vestischen Straße erwarb. Zugleich erhielt der Archi-tekt P. Zindel, Essen, den Auftrag, eine Kirche mit 300 Sitzplätzen zu entwerfen. Der Plan mußte jedoch schon 1893 als überholt angesehen werden. Für die evangelische Gemeinde, inzwischen 1 400 Seelen groß, wäre eine Kirche mit nur 300 Sitzplätzen zu klein gewesen.
Kirche ohne Turm?
Der zweite Auftrag an den Architekten ging weit über den ersten hinaus. Er sah ein Gotteshaus mit 800 Sitzplätzen vor. Auf einen Turm, so sehr man ihn sich auch wünschte, wollte man verzichten. Die Gemeinde sah zunächst keine Möglichkeit – bitter genug für sie – ihn zu finanzieren. Inzwischen war aber schon einiges geschehen, um die Kosten des Kirchenbaus zusammenzubringen. In den Provinzen Rheinland und Westfalen hatte eine Kirchenkollekte fast 53 200 Goldmark ergeben, 10 000 Goldmark hatte die Gutehoffnungshütte Oberhausen zugesagt. Man hatte also schon eine schöne Summe beisammen, doch lag sie noch weit unter dem Kostenvoranschlag von 90 000 Goldmark. Der Rest ist dann im Laufe der kommenden Jahre von der Gustav Adolf-Stiftung und durch viele, viele Spenden der Gemeindeglieder aufgebracht worden, die eine bewundernswerte Opferbereitschaft an den Tag legten. Dies ist um so höher zu schätzen, als die Gemeinde überwiegend aus Arbeitern und kleinen Beamten bestand. Ohne diese Opferbereitschaft hätte mit dem Bau der Kirche noch länger gewartet werden müssen, denn vom Staat war ein Zuschuß nicht zu erreichen. Dieser hatte schon 1893 einen derartigen Antrag abgelehnt.
Ohne Selbständigkeit kein Gotteshaus
Zu allem teilte das kgl. Konsistorium in Münster 1895 noch mit, daß mit einer staatlichen Genehmigung des Kirchenbaues nicht zu rechnen sei, bevor die Gemeinde ihre volle Selbständigkeit erlangt habe. Außerdem dürfe die Kirche nicht ohne Turm gebaut werden. Das hieß mit anderen Worten, weiterhin Geduld üben.
Am 1. Juli 1896 erhielt die evangelische Gemeinde Osterfeld endlich die ersehnte volle Selbständigkeit. Die zuständige Synode war Münster. Am 1. September des gleichen Jahres wurden unter dem Vorsitz des Superintendenten Bramersfeld aus Münster die ersten 24 Repräsentanten der neuen Gemeinde gewählt und die ersten 6 Presbyter ernannt. Hugo Otten als Kirchmeister, Adolf Frickenstein, Johann Boeker und Theodor Warbruck als Armenpfleger, sowie Otto Dersiph und Wilhelm Neerfeld.
Dr. jur. Klockenbring aus Koblenz, der letzte vom kgl. Konsistorium Koblenz in Osterfeld angestellte Pfarrvikar, verließ den hiesigen Wirkungskreis noch im gleichen Jahre.
Einmal Gemeinde, einmal Konsistorium
Um diese Zeit etwa war von der Versammlung der Vertreter der größeren Gemeinden des Konsistorialbezirkes Münster unter Vorsitz des Konsistorialrates Zillessen folgender wichtiger Beschluß gefaßt worden: „Die Berufung eines Pfarrers in die evangelische Kirchengemeinde Osterfeld erfolgt abwechselnd durch Gemeindewahl und durch Bestimmung des kgl. Konsistori-ums. Die erstmalige Besetzung der Pfarre soll durch Gemeindewahl geschehen.“ So konnte denn die evangelische Gemeinde Osterfeld ihren ersten Pfarrer selbst wählen. Das geschah am 6. Januar 1897. Die Wahl fiel auf den bisherigen Hilfsprediger Adolf Brüggemann, Borbeck. Er wurde am 14. März 1897 unter großer Beteiligung der Gemeinde festlich in sein Amt eingeführt. Jetzt erst war Osterfeld in der vollen Bedeutung des Wortes eine selbständige Gemeinde, die mit einem eigenen Pfarrer, nun ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen konnte; endlich auch war der Weg frei für den Bau einer eigenen Kirche.
Doch mit Turm
Schon 1896 hatte der damalige vorläufige Kirchenvorstand dem Wunsche Münsters entsprochen und einen Turm in den Bauplan einfügen lassen, trotz der zu erwartenden stärkeren finanziellen Belastung. Dieser Bauplan, der letzte und endgültige, erhielt am 29. Oktober 1897 die staatliche Genehmi-gung. Am 8. August 1898 schritt die Gemeinde zur Grundsteinlegung.
Der entsprechende Eintrag in der Pfarrchronik lautet:
Auf der Presbyteriumssitzung vom 9.7.[1898] werden die Modalitäten für die Grundsteinlegung festgelegt. Die feierliche Zeremonie soll am 7.8. um 3 Uhr nachmittags auf dem Bauplatz stattfinden. Danach wird eine Feier mit Kaffeetrinken im Saal des Wirtes Steinhauer veranstaltet. Für den Schmuck des Platzes werden die Herren des Presbyteriums Sorge tragen. Ein Posaunenchor soll den festlichen Rahmen bilden.
Nach weiteren eineinhalb Jahren, am 22. März 1900, wurde der letzte feierliche Akt, die Einweihung, durch Generalsuperintendent Nebe vollzogen und das Gotteshaus seiner Bestimmung übergeben.
Evangelische Kinder katholisch getauft
In der Folgezeit zogen immer mehr Familien zu. Ihre Kinder wurden zunächst noch in der katholischen Kirche getauft und besuchten auch die einzige katholische Schule in Osterfeld, denn Holten war zu jener Zeit die nächstgelegene evangelische Gemeinde und war zu weit entfernt. Eine entscheidende Wende trat ein, als 1846 auf Veranlassung des Hütteninspektors Lueg die evangelische Gemeinde Sterkrade gegründet und dieser neuen Gemeinde, die 500 evangelische Seelen aus Sterkrade, Osterfeld und Bottrop umfaßte, von der Gutehoffnungshütte ein Betsaal zur Verfügung gestellt wurde.
Die Schule für Sterkrade und Osterfeld bald zu klein
Im Jahre 1847 finden wir im Sterkrader Taufregister die ersten beiden Osterfelder Täuflinge: August Kumpmann und Heinrich Ludwig Gieseke. Das erste Brautpaar dieses Jahres waren Heinrich Johann Landert aus Oberdiebach, wohnhaft in Eisenheim und Friederike Lindenbeck aus Ratingen. Immer mehr stieg die Zahl der Protestanten in Osterfeld, besonders in der Zeit der Gründerjahre nach dem Kriege 1870/71. So wurden im Jahre 1870 bereits 13 Taufen Osterfelder Kinder im Gemeindeamt Sterkrade registriert. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder war bis zum Jahre 1876 bereits auf 65 gestiegen, und die evangelische Schule in Sterkrade zu klein geworden, um die evangelischen Kinder Osterfelds am Schulunterricht weiter teilnehmen lassen zu können. Die evangelische Kirchengemeinde Osterfeld sah sich gezwungen, eine eigene Schule einzurichten.
Eigene Schule
Der erste Schulunterricht fand am 4. Juli 1877 im Saale der Gastwirtschaft Bremer (heute Hotel Husemann) statt. Diese Schule hatte 52 Schüler, ihr Lehrer war Karl Wilhelm Preyer, der bereits viele Jahre in Wesel als Hausvater eines Waisenhauses tätig war. Diese „Schule“ konnte nur eine Notlösung sein. Bereits ein Jahr später konnte das neu errichtete Schulgebäude an der Sterkrader Straße (heute Ecke Vestische Straße /Fahnhorststraße) bezogen werden. Das Anwachsen der Schülerzahl gerade dieser Schule, deren Gebäude heute noch steht und Wohnzwecken dient, gibt ein besonders beredtes Zeugnis für das Wachsen der Gemeinde Osterfeld.
Die Pfarrchronik dokumentierte den Beschluß des Presbyteriums (Anm.: Presbyterium = Kirchenvorstand) über den Ablauf der Einweihungsfeier:
Der Festtag, Donnerstag, der 22.03., fängt um 7 Uhr mit einem halbstündigen Festgeläute an. Danach ist folgender Ablauf vorgesehen:
- 10 Uhr Abschiedsfeier im Schulsaal;
- Festzug zum Portal der Kirche;
- Übergabe des Schlüssels und Einzug in die Kirche;
- Festgottesdienst;
- Weihe der Kirche durch den Generalsuperintendenten
- Festpredigt des Ortspfarrers Brüggemann;
- Schlußliturgie, Herr Superintendent D. Nebe aus Münster;
- unter Glockengeläute und Absingen des Liedes „Nun danket alle Gott“ Vers 1 und 3 – endet die Einweihungszeremonie
- Um 1 Uhr findet schließlich ein gemeinsames Mittagessen im Saal des Wirtes Aug. Fischedick statt.
- Die Tischrede für die Gäste übernimmt der Pfarrer, für die Bauleitung der Kirchmeister.
Am Sonntag, dem 25.03., soll ein Gemeindekaffee im Saale der Wwe. Steinhauer stattfinden.
Die Plätze in der Kirche werden so verteilt, daß rechts vom mittleren Flur die Männer und links die Frauen sitzen.
Das Pfarrhaus, mit dessen Bau man im Frühjahr 1898 begonnen hatte, konnte im November des gleichen Jahres bezogen werden.
Vom Buchenwald umgeben
Knapp 100 Jahre waren seit dem Zuzug des ersten evangelischen Bürgers, Gottlob Jacobi, bis zur Errichtung der Kirche vergangen. Inzwischen war die Gemeinde bis auf über 2 700 Gläubige gewachsen. Noch entsinnen sich viele alte Osterfelder an die Einweihung der Kirche, wenn sie ihr nicht gar selber beigewohnt haben. Damals war sie noch von einem mächtigen Buchenwalde umgeben, dessen spärlicher Rest noch am Freitagshof sichtbar ist. Daß man damals gerade diesen Platz an der früheren Sterkrader-, jetzt Vestischen Straße, für die Kirche wählte, hat wohl seinen Grund darin, daß die meisten Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde in Eisenheim und Stemmersberg zu Hause waren. Auch der erste evangelische Friedhof, der heute (1956) noch erhalten ist, liegt an der Vestischen Straße. (Anmerkung: Der alte Friedhof in Höhe der Erikastraße ist heute (2004) ein Teil des Grüngürtels am Stemmersberg.)
Mit der Einweihung der Kirche an der Vestischen Straße stehen wir fast am Beginn des 20. Jahrhunderts. Nicht ganz 60 Jahre trennen uns heute von diesem Ereignis. Die nun folgenden Begebenheiten werden viele der älteren Gemeindemitglieder noch erlebt haben.
Der erste Pfarrer
der selbständigen Kirchengemeinde Osterfeld, Pastor Brüggemann, verließ Osterfeld schon nach dreieinhalbjähriger Tätigkeit im Jahre 1900, um das Amt seines verstorbenen Vaters in Kettwig zu übernehmen. In die freigewordene Stelle trat Synodalvikar Siebel aus Siegen. Er lenkte in segensreichem Wirken die Geschicke der Gemeinde bis zu seinem Tode im Jahre 1912. Siebel war ein eifriger Mann, dem die evangelische Kirchengemeinde vieles zu danken hat. Unter anderem fällt in seine Amtszeit der Bau des ersten evangelischen Gemeindehauses an der Kapellenstraße (1909), das infolge des stetigen Wachsens der Gemeinde ein unabweisbares Bedürfnis geworden war. Nun hatten die zahlreichen evangelischen Vereine und der Kirchenchor endlich eine feste Bleibe mit einem geeigneten Saal für größere Feiern. Das allgemeingemeindliche Leben fand neben der Kirche einen festen Mittelpunkt.
Dieses erste evangelische Gemeindehaus in Osterfeld wurde im letzten Kriege das Opfer eines Bombenangriffes. Nicht weit von dem Platz des zerstörten Gemeindehauses steht aber schon wieder ein neues, das später einmal um einen großen Saal erweitert werden soll.
Zweite Pfarrstelle
Die mächtig fortschreitende Industrialisierung zog immer mehr Menschen hierher, darunter viele Protestanten. Pfarrer Siebel konnte die Arbeit allein nicht mehr bewältigen, so daß 1906 zu seiner Unterstützung ein Hilfsprediger angestellt werden mußte. Als erster übernahm Wilhelm Dustmann dieses Amt. Seiner wird sich noch mancher Osterfelder erinnern. Dustmann schied nach kurzer einjähriger Amtszeit von Osterfeld, kehrte aber 1913 als Pfarrer hierher zurück und sollte uns nicht mehr verlassen. Während seiner vierjährigen Abwesenheit mußte die Gemeinde in 2 Pfarrbezirke aufgeteilt, die Zahl der Presbyter von 6 auf 9 und die der Repräsentanten von 24 auf 40 erhöht werden. Deutlicher läßt sich das fortgesetzte Wachstum der Gemeinde nicht zum Ausdruck bringen. Als Pfarrer Dustmann nach Osterfeld zurückberufen wurde, fand er bereits 6 787 Gemeindemitglieder vor. Ihre Zahl hatte sich inzwischen um 1 300 vermehrt.
Die 1908 eingerichtete zweite Pfarrstelle verwaltete bis 1913 Pfarrer Jakob aus Rotthausen. Er folgte damals einem Rufe nach Medersheim, Bez. Koblenz. Wenige Monate vorher war Pfarrer Siebel verstorben, so daß gleich beide Pfarrstellen neu besetzt werden mußten. Pfarrer Dustmann, der, wie schon erwähnt, in den 1. Pfarrbezirk der Gemeinde berufen wurde und sein Amt am 20. April 1913 antrat, erhielt am selben Tage in dem noch heute lebenden Senior der Osterfelder Pfarrer, Pastor Dransfeld, der den 2. Pfarrbezirk übernahm, einen allseits beliebten Amtsbruder.
Storpscher Acker für zweiten Friedhof
1913 erwarb die Kirchengemeinde vom Bauern Storp ein knapp 8 Morgen großes Grundstück an der Egelbuschstraße (Anm.: heute Harkortstraße), um einen zweiten Friedhof einzurichten, denn der alte an der Vestischen Straße reichte nicht mehr aus. Wenige Wochen vor Ausbruch des ersten Weltkrieges konnte er durch Pfarrer Dransfeld eingeweiht werden. Der Weltkrieg verhinderte aber den wünschenswerten weiteren Ausbau des Friedhofes. Die Verarmung der Gemeinde in der Nachkriegszeit gestattete es auch später nicht, mehr als das notwendigste zu tun. Nun wohl, mit diesem zweiten Gottesacker ist die Gemeinde im Besitze eines Areals, das noch einige Zeit den Notwendigkeiten genügt.
Beginnende wirtschaftliche Gesundung
Bis zum Jahre 1929 hatte sich die wirtschaftliche Lage der Gemeinde so weit gefestigt, daß man mit dem Bau des Gemeindehauses an der Hochstraße beginnen, ein Grundstück für das Gemeindehaus an der heutigen Teutoburger Straße erwerben und die Kirche mit einer neuen Orgel ausstatten konnte. 1933 wurde das Gemeindehaus an der Kapellenstraße renoviert und das Gemeindehaus an der Hochstraße durch den Erwerb des Hauses Fischedick, Bottroper Straße, erweitert. Es hatte zuvor schon mietweise der Gemeinde gedient. Alles in allem, es ging stetig aufwärts. Als man sich mit den Plänen für den Bau einer Friedhofskapelle beschäftigte, brach der zweite Weltkrieg aus.
Große Kriegsschäden
Vieles, was mühevoll erworben und aufgebaut worden war, ging wieder verloren. Als der Krieg zu Ende ging, stand man fast wieder am Anfang, die Kirche schwer beschädigt, desgleichen die Schulen, das Gemeindehaus an der Kapellenstraße total zerstört, schwer beschädigt die Gemeindehäuser an der Hochstraße und der Teutoburger Straße. Dazu fand sich die Gemeinde, obwohl verarmt wie nie zuvor, vor die fast unlösbare Aufgabe gestellt, viele tausend Heimatvertriebene in das kirchliche Leben einzugliedern. Gottvertrauen und Fleiß ließen alle Schwierigkeiten überwinden, Die Kirche ist wiederhergestellt, an der Stelle des völlig zerstörten Gemeindehauses befindet sich an der Kapellenstraße ein neues, das obendrein einen sehr schönen Andachtssaal hat. Wiederhergestellt ist auch der Andachtssaal des Gemeindehauses an der Hochstraße (1956).
Bis heute verzehnfacht
Die Zahl der Seelen ist seit 1900 fast um das Zehnfache gestiegen, besonders nach dem letzten Weltkriege infolge des Zuzugs vieler Heimatvertriebener. Wo sich vor einem halben Jahrhundert um die Kirche noch Wald und Heide ausbreiteten, wohnen heute Tausende von Menschen in geschlossenen Siedlungen. Das Bild der Kirche selbst hat sich jedoch bis zum heutigen Tage kaum geändert, auch ist sie trotz des großen Wachstums der Gemeinde die einzige in Osterfeld geblieben, wenn auch die Zahl der Pfarrstellen inzwischen auf vier erhöht wurde.
Sorge um die Zukunft
Nun gilt es, weiter zu sorgen und zu schaffen, denn die Gemeinde ist um vieles größer geworden. Das Gotteshaus 1898, als Osterfeld nur 2 700 Seelen zählte, erbaut, ist für die heutige Gemeinde mit über 20 000 Seelen zu klein. Zwar bieten die Andachtsäle der Gemeindehäuser in gewissem Umfange eine Entlastung, doch kann das auf die Dauer nur ein Behelf sein. Neben diesen ließen sich noch viele andere Notstände aufzählen.
Die Gemeinde ist auch heute (Anm.: 1956) noch in schneller Entwicklung begriffen. Sie besitzt zwar nun schon vier Pfarrbezirke, doch fehlen dazu noch weitgehend die notwendigen Anlagen und Einrichtungen. Es ist zu wünschen, daß die Gemeinde nach den Jahren der Wirren und Nöte nunmehr viele Jahre des Friedens zu einem ungestörten Aufbau findet, damit sie ihre innere Einheit festigen und die vielen tausend Zugezogenen harmonisch in das Leben der Gemeinde einfügen kann.
Dr. Schmitz stellte am Ende seines Berichtes fest, daß die Gemeinde dringend eine zweite Kirche brauchte. Diese Notwendigkeit bestand offensichtlich schon seit 1928, denn damals gab es bereits Pläne, an der Hochstraße ein Gotteshaus mit 1 000 Plätzen, ein Pfarrhaus, ein Gemeindehaus mit Wohnungen für den Küster und die Gemeindeschwestern, sowie einen Gemeindesaal zu bauen. Aus finanziellen Gründen ließen sich jedoch nur das Gemeindehaus und der Gemeindesaal realisieren.
Anfang der 1950er Jahre entstand auf dem Tackenberg nördlich und südlich der Dorstener Straße ein neuer Stadtteil mit Wohnungen für die auf den Zechen Franz Haniel, Jacobi und Osterfeld dringend benötigten Bergleute. Der Zuwachs an neuen Gemeindemitgliedern erforderte ein weiteres Gemeindehaus, um die geistliche Betreuung vor Ort sicherstellen zu können. Der Neubau an der Dorstener Straße 406 wurde 1957 seiner Bestimmung übergeben. Ein Jahr später richtete die Gemeinde den selbständigen Pfarrbezirk Tackenberg ein und beschloß den Bau einer zweiten Kirche. Die Apostelkirche wurde am Ostermontag, dem 30. März 1959, unter reger Anteilnahme der Gemeinde feierlich eingeweiht.
1 300 dankbare Gläubige erlebten Einweihung der neuen Apostelkirche
Die WAZ berichtete am 31. März 1959
Bronzeglocken verkündeten festliches Ereignis – Gottesdienst mit Taufe
„Tut mir auf die schöne Pforte“, sang die Menge der Gläubigen, die sich am gestrigen Nachmittag vor dem Glasportal der Apostelkirche auf dem Tackenberg drängte und auf den Augenblick wartete, von dem neuen Gotteshaus Besitz ergreifen zu dürfen. Als sich die Kirchentür öffnete und der Vertreter der Landeskirche Rheinland, Oberlandeskirchenrat Schlingensiepen, die Schwelle überschritt, trug der volle Klang des Bronzegeläuts im schlanken Turm die Kunde von diesem festlichen Ereignis in alle Häuser zu beiden Seiten der Dorstener Straße im neuen Stadtteil auf dem Tacken-berg.
Es war ein freudiges Ereignis nicht nur für die junge Gemeinde, die sich in wenigen Jahren auf dem Tackenberg gesammelt hat, es war ein Festtag für die ganze, 23 000 Seelen starke Gemeinde Osterfeld und darüber hinaus für den ganzen Kirchenkreis unserer Stadt. Wurde doch die erste evangelische Kirche in Oberhausen am gestrigen zweien Ostertag eingeweiht, die an einer Steile errichtet wurde, an er noch keine Kirche gestanden hat.
Festliche Schlüsselübergabe
Durch das dichte Spalier der Gemeindeglieder schritt zu den Klängen des Posaunenchores der Gemeinde die Geistlichkeit in feierlichem Zug, an der Spitze Oberlandeskirchenrat Schlingensiepen mit Superintendent Munscheid und dem Präses der Gemeinde Osterfeld, Pfarrer Bertelsmann, zum Kirchenportal. Mit einem herzlichen Dank an den Baumeister und an alle, die an der Kirche gebaut haben, nahm der Vertreter der Landeskirche den Schlüssel aus der Hand des Architekten Bläser entgegen. Der Kirchenschlüssel wanderte weiter in die Hände von Pfarrer Bertelsmann, der ihn an den Seelsorger des Pfarrbezirks Tackenberg, Pfarrer Wissel, weiterreichte.
Einzug in die Kirche
Beim feierlichen Einzug in die neue Kirche folgten der Geistlichkeit die Presbyter der Gemeinde Osterfeld, die zahlreichen Ehrengäste, die jüngsten Gemeindeglieder, die in diesem Jahr konfirmiert wurden, und schließlich die Konfirmanden, die Oberlandeskirchenrat Schlingensiepen vor dem Gemeindehaus begrüßt hatten. Als der Festgottesdienst mit dem Choral „Lobet den Herren“ begann, waren der Kirchenraum und der mit ihm ver-bundene Saal des Gemeindehauses mit nahezu 1 300 Gläubigen überfüllt.
Taufstein „eingeweiht“
Zu Beginn dem feierlichen Einweihungszeremonie stiegen Presbyter die Stufen zum Altar hinauf, um dem Vertreter der Landeskirche Bibel und Abendmahlsgeräte auszuhändigen. „So sei denn diese Kirche in den Dienst Gottes geweiht“, verkündete Oberlandeskirchenrat Schlingensiepen, der in seiner Festpredigt auf die Symbolik des Namens „Apostelkirche“ hinwies und über das Apostel- und zugleich Osterwort sprach; „Unser keiner lebt für sich selbst; sterben wir, so sterben wir dem Herrn.“ Den Abschluß des Gottesdienstes bildete eine Taufhandlung, die Pfarrer Wissel an drei Sprößlingen aus der Gemeinde vornahm und mit der er den neuen Taufstein aus Weserstandstein „einweihte“.
Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Ehrengäste zu einer weltlichen Nachfeier im Gemeindehaus an der Vestischen Straße. Pfarrer Bertelsmann verlas ein Grußwort der Frau Oberbürgermeister Albertz, und hieß u. a. auch die Ältesten aus der Gemeinde willkommen, die bereits die Einweihung der Kirche an der Vestischen Straße vor 59 Jahren miterlebt haben. Herzliche Worte des Dankes und der Anerkennung fand der Präses der Gemeinde, außer für die Architekten Bläser und Müller und für den Kirchenkünstler Kükelhaus, vor allem für Kirchmeister Kalbitzer, den er als den eigentlichen Motor des Kirchbaues auf dem Tackenberg bezeichnete.
Die Grüße und Glückwünsche der Landeskirche zum neuen Gotteshaus überbrachte Oberlandeskirchenrat Schlingensiepen, die des Kirchenkreises Superintendent Munscheid. Für die katholische Gemeinde Tackenberg sprach Kaplan Stürwald, der seiner Hoffnung Ausdruck gab, daß mit dem geplanten Bau der katholischen Kirche bald der zweite Kirchturm auf dem Tackenberg errichtet werde. (Anm.: die St. Jakobus-Kirche wurde am 11. Juni 1960 eingeweiht.)
Als 1969 auf dem Tackenberg schließlich 5 500 evangelische Christen lebten, erhob die Rheinische Landeskirche den Pfarrbezirk zur selbständigen Apostel-Gemeinde.
In den 1980er und 1990er Jahren zogen zunehmend türkische Gastarbeiter mit ihren Familien in die Siedlung ein. Entsprechend ging der Anteil der deutschen Mieter zurück.
2004 zählt die Apostel-Gemeinde noch 2 200 Gemeindeglieder, sie ist damit eine der kleinsten evangelischen Gemeinden in Oberhausen. Sie widmet sich besonders der Jugend- und Familienarbeit. Seit 1981 trägt ein Förderverein einen Teil der dabei anfallenden Kosten. Auch das Café, in dem sich die Gemeindeglieder nach dem Gottesdienst bei Kaffee oder Tee treffen, unterstützt mit dem Reinerlös diese Arbeit.
Die „alte“ evangelische Gemeinde heißt seit 1969 Auferstehungs-Gemeinde und die Kirche an der Vestischen Straße 2 entsprechend Auferstehungskirche.
Die Gemeinde betreibt an der Kapellenstraße 26 ein Gemeindezentrum mit Café und Kindergarten, an der Bottroper Straße 163 einen Eine-Welt-Laden und an der Michelstraße 1 ein Kinder- und Jugendzentrum.
Die Gemeinde betreibt an der Kapellenstraße 26 ein Gemeindezentrum mit Café und Kindergarten, an der Bottroper Straße 163 einen Eine-Welt-Laden und an der Michelstraße 1 ein Kinder- und Jugendzentrum.
In der Auferstehungs-Gemeinde leben im Jahre 2004 rund 8 000 Gemeindeglieder in 4 Pfarrbezirken, die von 2 Pfarrern und 2 Pfarrerinnen betreut werden.
Zeittafel der evangelischen Kirchengemeinde in Osterfeld
1891
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Die evangelische Kirchengemeinde wird als Vikariat der Gemeinde Sterkrade gegründet. | |
März | Erster evangelischer Pfarrer, Vikar Hemme, wird eingeführt. | |
1896
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01. Juli | erhält die evangelische Gemeinde Osterfeld die volle Selbständigkeit. |
1898
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07. August | legt Pfarrer Brüggemann den Grundstein für die evangelische Kirche an der Sterkrader Straße (heute Vestische Straße) |
Das ev. Pfarrhaus auf der Vestischen Straße wird fertiggestellt. | ||
1900
|
22. März | Einweihung der ev. Auferstehungskirche an der Vestischen Straße. |
1907
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Das ev. Gemeindehaus an der Kapellenstraße wird fertiggestellt. | |
Die ev. Kirchengemeinde wird der Synode Recklinghausen zugestellt. | ||
1955
|
25. Februar | Einweihung des ev. Gemeinde.- und Jugendheims an der Kapellenstraße. |
1959
|
30. März | weiht Oberlandeskirchenrat Schlingensiepen die ev. Apostelkirche auf dem Tackenberg ein. |
1969
|
Synodenbeschluss zur Aufteilung der ev. Kirchengemeinde in die Auferstehungs.- und in die Apostelgemeinde | |
1974
|
02. Juni | Übergabe des Anbaus zum ev. Gemeindezentrums an der Kapellenstraße. |